Polen, Pop, Popolski
„Der Familie Popolski“ zwischen Musik-Comedy und Volksfest Achim Hagemann ist lustig. Nicht, weil er sich auf die Bühne stellt und
grölend seine Schlafzimmergeschichten herausposaunt. Er füllt auch keine
Stadien – obwohl das noch kommen könnte. Achim Hagemann ist kein
Selbstdarsteller, sondern Schauspieler, Musiker, Geschichtenerzähler.
Seine Geschichte spielt in Zabrze, Polen. Dort hat vor hundert Jahren
ein Mann Namens Pjotrek Popolski 128.000 Top-Ten-Hits komponiert.
Popstars von Led Zepplin bis zu den Ärzten, aber auch von DJ Ötzi bis
Dieter Bohlen haben diese Hits gnadenlos geklaut und aufs Schrecklichste
verhunzt. Die Nachkommen von Pjotrek Popolski, allen voran sein Enkel
Pavel, holen sich die Hits nun zurück und spielen sie in ihrer
polnischen Originalversion. Als „Der Familie Popolski“ geben sie in ganz
Deutschland Konzerte.
Kirschrote
Perücke und Glitzerkleid
Pavel trägt stolz einen blonden Schnäuzer und tritt in einem grünen
Glitzeranzug auf. Er sitzt mit geradem Rücken hinter seinem Schlagzeug
und wippt im Takt wie ein tickender Flummi. Sein Schlagzeug verschwindet
nicht am hinteren Bühnenrand, sondern ist vorne rechts positioniert,
damit er besser mit dem Publikum feixen kann. Mit ihm auf der Bühne sind
seine Brüder und Cousins, und die einzige Frau: Cousine Dorota Popolski,
„der heißeste von der heißesten“.
Mit tiefem Ausschnitt, kirschroter
Perücke,
Lippenstift und Glitzerkleid fixiert sie betörend das Publikum, während
sie rauchig singend verkündet, dass sie mit jemandem tanzen will –
„Dance with somebody“ von Mando Diao in rollendem Polkatakt.
Pavel rollt bei soviel erotischer Unsittlichkeit eher die Augen. Wenn
man dem ältesten Bruder den blonden Schnauzbart abzieht, der sich beim
Sprechen hin und her bewegt wie ein zotteliges Tier, dann steht da
wieder Achim Hagemann. Als er die Popolskis entstehen ließ, da hatte er
gerade eine polnische Freundin. Aber nicht sie war seine Muse, sondern
ihre Familie: „Ich bin in diese Community ’rein gekommen, habe den
Akzent gehört und auch die Wodka-Rezepte mitbekommen und dann habe ich
irgendwann gedacht, das wäre doch eigentlich schön, daraus eine
Geschichte zu machen.“
Wodkafeste
bis in die Morgenstunden
Und die dreht sich neben der Musik vor allem ums Wodkatrinken. „Wuttka“,
wie der Pole sagt. Den verteilt Pavel Popolski dann auch reichlich ans
Publikum, um diesem dann zu erklären, dass das Wodkaglas nach dem Leeren
im hohen Bogen über die Schulter geschmissen werden muss. Gerade über
das Wodkatrinken hat Achim Hagemann von der Familie seiner polnischen
Freundin viel gelernt – dass man ihn mit Sprite, Saft und Cola
kombinieren kann, mit oder ohne Eis, am besten natürlich pur. Richtige
Wodkafeste wurden dort gefeiert: „Es wurde immer viel gekocht, viel
gegessen, und es ging auch immer lang, bis in die frühen Morgenstunden,“
erzählt Achim Hagemann. „Die Lebensfreude und die Energie, die ich da
damals kennen gelernt habe, versuchen wir jetzt auf die Bühne zu
bringen.“
Deutsch-polnische Fete
Und nicht nur auf die Bühne, auch im Fernsehen sind „Der Familie
Popolski“ zu sehen. Seit 2008 „hacken“ sie sich live aus dem zwölften
Stock ihrer Plattenbausiedlung in Zabrze in das Programm des WDR. In
ockerfarbenen Wollpullundern und mit blässlichem Gesicht sitzen sie in
ihrer altmodischen Bruchbude und machen Hausmusik. Zum Beispiel „Cheri
Cheri Lady“, ein Lied (besser gesagt: Heavy Metal-Song) des jüngsten
Bruders Janusz Popolski über die hübsche Kirschenfrau auf dem Markt in
Zabrze – Dieter Bohlen hat es natürlich geklaut. Achim Hagemann: „Die
Polen waren immer so genervt von den ewig gleichen Polenwitzen mit dem
geklauten Auto – die waren froh, dass die Geschichte mal umgedreht wurde
und sie die Beklauten waren.“
Trotzdem gibt es auch Zuschauer, vor allem der Fernsehshow, die
sich beschwert haben: „Gerade über das viele Wodkatrinken, das gehöre
nicht ins Fernsehen. Die Pullunder sähen auch scheiße aus. Aber
überwiegend sind die Leute doch positiv mit uns umgegangen,“ sagt Achim
Hagemann. Es gäbe viele Polen, die mit Polska-T-Shirts zum Konzert
kämen, oder mit Kappen und Fahnen. „Wenn das zu einer deutsch-polnischen
Fete wird, ist das genau das, was wir wollen.“
Einziger
Artikel: „der“
Sogar Einladungen nach Polen haben die Popolskis schon bekommen. Dabei
gibt es nur ein Problem: Ein wesentliches Element der Popolski-Komik ist
die Sprache. „Der“ ist der einzige Artikel und auch sonst reden die
Popolskis mit einem schweren polnischen Akzent. „Es hat ja keinen Sinn,
nach Polen zu fahren und mit Popolski-Akzent zu reden, wenn man direkt
vor Polen steht,“ so Hagemann. Also dann komplett auf polnisch? „Das
sprachlich hinzukriegen, trau ich mir nicht zu – außerdem ist es ja ohne
den Akzent nicht mehr komisch.“ An einer Lösung für das Problem wollen
die Popolskis demnächst feilen. Und vielleicht leisten sie auf ihre Art
einen größeren Beitrag zur Völkerverständigung als der Außenminister.
Jedenfalls haben Zeitungen schon geschrieben, dass Guido Westerwelle bei
seinem nächsten Polen-Besuch die Popolskis ruhig mitnehmen sollte, „um
die ganze Sache zu entkrampfen“.Denn wer zu zum fast Ska-artigen Bläsersounds und Polkabeats ständig von
einem Bein auf das andere springt, der ist entspannt. Und nimmt sich
selber nicht so ernst. Achim Hagemann alias Pavel Popolski muss keine
Witze übers Knie brechen, muss nicht sein Privatleben präsentieren, um
dem Publikum eine Identifikationsgrundlage zu geben, damit es lachen
kann. Eine gute Geschichte und gute Musiker tun es auch. Die
Deutschlandtour ist jedenfalls fast überall ausverkauft.
Gesa
Dördelmann
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